Analyse des traurigen Zustands der Politik

 8. August 2011 •  Ekkart •  Politik •  ToDo

Eine sehr interessante Analyse des traurigen Zustands der Politik liefert der schweizerische Tagesanzeiger, zwar auf USA und England zielend, kann man viele der Erkenntnisse sofort auf Deutschland übernehmen. Weil die Politik derzeit eben auch sehr “global” agiert, also sehr gleich.

Über das neue Politikverständnis der Republikaner heißt es beispielsweise:

Was Brooks entsetzte, war, dass die Republikaner einen gigantischen Sieg aus der Hand gaben. Sie lehnten einen fast selbstmörderischen Vorschlag Präsident Obamas ab, das Defizit durch brutale Einsparungen zu reduzieren. Und zwar, weil dabei auch Steuerlöcher gestopft werden sollten. Es war ein Vorschlag, der ihnen alles schenkte: einen Sieg ihrer Sparpolitik plus eine Spaltung der gegnerischen Partei. Stattdessen riskierten sie den Bankrott des eigenen Landes.

Warum? Weil, so Brooks, Politik nicht mehr ihr Ziel ist.

[…]

In einer Karikatur sagte Obama: «Wir geben euch alles, was ihr wollt.» Worauf die Republikaner sagen: «Das ist inakzeptabel.»

Oder eine interessante Prognose der Zukunft:

Zum ersten ist die jetzige seit Jahren wie ein Schwelbrand eskalierende Krise – die schlimmste seit der grossen Depression – das Ergebnis rechter Politik: Das Resultat von blinder Deregulierung von Wirtschaft und Finanzmärkten. Zum zweiten sind die Rezepte, die gegen die Krise angewandt werden, wieder rechte Rezepte: eine blinde Sparpolitik. Und drittens ist die Rechte daran, die westliche Gesellschaft fundamental zu verändern. Die 60 Jahre Herrschaft der westlichen Mittelklasse geht ihrem Ende zu. Installiert wird eine Oligarchie.

In der Tat: die Sparpolitik wird uns nicht weiterbringen, wenn nicht langsam die Einnahmen des Staates erhöht werden, damit er wieder investieren kann. Das ist ebenfalls einfach und nachgewiesen richtig, aber:

Heute würde Reagan aus der republikanischen Partei gemobbt. Heute müssen Abgeordnete, um gewählt zu werden, einen Eid unterschreiben, nie, auf keinen Fall Steuern zu erhöhen. Und ihre Antworten auf komplexe Fragen sind unverhandelbar kurz: Budgetkürzungen? Wenn nicht bei der Armee – immer gut. Steuergeschenke? Immer gut. Defizit? Des Teufels. Sozialprogramme? Des Teufels. Renten, medizinische Versorgung? Des Teufels. Den eigenen Verhandlungsführer niedermachen? Kein Problem. Den Staat bankrott gehen lassen? «Dann geht trotzdem morgen die Sonne auf.»

 

Und wenngleich wir in D noch nicht so weit sind, weit entfernt sind wir noch nicht.

Der Artikel ist lesenswert und unterschlägt m.E. nur noch die Rolle der Medien im ganzen Spektakel, die willfährig auch die dümmsten Positionen unreflektiert und unwidersprochen wiedergeben – bis sie selbst einmal betroffen sind. Aber dann interessiert es schon keinen mehr, oder hat irgendjemand schon davon gehört, dass viele Zeitungsredaktionen derzeit streiken? Und wenn ja – wen stört es? Gibt es einen Unterschied in der Qualität der Erzeugnisse?

(Quelle: Tagesanzeiger, via: Nachdenkseiten)