Nichtwähler

 8. März 2016 •  Ekkart •  Politik •  ToDo

In einer Demokratie ohne Wahlpflicht ist es durchaus legitim, nicht wählen zu gehen.

Derzeit sehe ich doch häufig Nichtwählerbeschimpfungen, in denen Nichtwähler für das Erstarken der rechten Parteien wie NPD oder AfD verantwortlich gemacht werden.

Rein rechnerisch können viele Menschen, die wählen gehen, tatsächlich die hohen Prozentzahlen der “Protestparteien” verhindern.

Aber.

Zunächst einmal wird unterstellt, dass Nichtwähler einfach so nicht zur Wahl gehen. Ich denke eher, viele wissen nicht, was sie wählen sollen oder haben kein Interesse an der Politik oder an politischer Mitgestaltung (mehr). Vielleicht sollte man sich darüber eher Gedanken machen, dass es offensichtlich einen großen Prozentsatz der Bevölkerung gibt, der so von den politischen Parteien enttäuscht ist, dass er sich nicht in der Lage sieht, diese durch Wahl zu legitimieren.

Jetzt kommt oft das Argument: dann lieber CDU/SPD/Grüne/… wählen statt die Rechten.

Nein.

Zum einen wählen Nichtwähler die Rechten nicht. Zum anderen würde das so interpretiert werden, dass die Politik der CDU/SPD/Grünen/… unterstützt wird. Und genau das ist oft nicht der Fall.

Aber müsste man nicht in den sauren Apfel beißen und die weniger schlimme Alternative (CDU/SPD/Grüne/…) wählen? Das muss jede_r mit sich ausmachen. Aber man kann niemandem vorwerfen, sich anders entschieden zu haben als man selbst das tun würde.

Denn was steht denn zur Wahl? Eine ja/nein-Entscheidung. Wo ist das Kreuz, das ich bei “ich wähle SPD, aber nur, wenn der Gabriel endlich weggeht und die Partei mal wieder soziale Gesichtspunkte berücksichtigt, nicht dauern einknickt und lieber eine ordentliche Opposition anführt als eine schwache Große Koalition eingeht; und übrigens wähle ich nur, damit die Rechten nicht erstarken, mit der derzeitigen SPD hat das nichts zu tun” setzen kann?

Und mit jedem Kreuz bei der SPD würde ich Sigmar Gabriel unterstützen und die anderen Figuren, die seit Jahren eine Erneuerung bei der SPD verhindern, die jegliche Entwicklung verhindern und eine Pleite nach der anderen einfahren.

Oder das Kreuz “ich wähle CDU, aber nur, weil Angela Merkel in einer wichtigen Frage Haltung gezeigt hat und dabei bleibt, mit allen anderen Positionen Angela Merkels und allen anderen Positionen und Personen der CDU will ich nichts zu tun haben.”

Was also tun bei einer Wahl? Ich habe es gut, in Berlin gibt es ordentliche Alternativen. Aber anderswo wird es sehr, sehr dünn.

Und da sind mir die Nichtwähler dann doch lieber bzw. konsequenter als die Leute, die ihr Protestkreuz bei einer rechten Partei machen.

Also: statt auf Nichtwähler zu schimpfen würde ich mir wünschen, dass auf Politiker geschimpft wird, die eine solches Politikdesinteresse hervorrufen, dass Menschen lieber nicht wählen gehen, statt ihre Stimme solchen Politikern in den Rachen zu werfen.

Beschimpft die Nichtwähler nicht, sondern sorgt dafür, dass sie bei der nächsten Wahl wieder wählen gehen, mit echten Alternativen und ehrlicher (ja, ich weiß) Politik. Wenigstens mit einer klaren Haltung.