Rammstein in der Waldbühne

 12. Juli 2016 •  Ekkart •  Kritik, Live, Musik •  ToDo

Wünsch’ dir was ich sag’ nicht nein, Und führ’ dir Nagetiere ein.

Es war mal wieder so weit, Rammstein lässt sich dazu herab, Einzelkonzerte zu geben, statt nur bei Festivals zu spielen. Eine sehr gute Gelegenheit, die Band mal wieder in Augenschein zu nehmen.

Dazu muss man zunächst die Hürde des Kartenkaufs überwinden. Das ist nicht so einfach, wie es klingt, erst einmal Mitglied des Fanclubs werden, um in die erste Verkaufscharge zu kommen. Dann pünktlich zum Starttermin am Rechner sitzen und geduldig die Reload-Taste drücken. Eine halbe Stunde lang, bis der völlig überlastete Server zwei Karten freigibt. Zuschlagen und sich freuen, als habe man die Welt gewonnen.

Warum ist das so schwierig? Rammstein wollen den illegalen Kartenverkauf in den Griff bekommen, einerseits den Massenkauf von Karten verhindern, um möglichst vielen eine Chance auf Karten zu gewähren. Andererseits das teure Verkaufen von Karten unterbinden, weshalb alle Tickets personalisiert sind und man beim Einlass einen Ausweis vorzeigen muss. An sich eine sehr gute Idee, denn genau diese Praktiken sind schlimm und vergällen einem oft den Besuch begehrter Bands.

Trotzdem könnte tickets.de zum Start ein paar mehr Server von Amazon anmieten (7,50 € Buchungsgebühr!), es ist nicht überraschend, dass da Tausende zugreifen wollen. Rammstein war das bewusst und so wurde ein Konzert am 11.7. nachgeschoben nur für diejenigen Fangruppenmitglieder, die kein Ticket bekommen haben.

Am Sonnabend war es nun so weit und ich habe mich vorgefreut, wie schon lange nicht mehr, an sich ein schönes Gefühl. Bange Frage: wann muss man an der Waldbühne sein, um im unteren Drittel zu sitzen? Einlass ab 17 Uhr, Vorband 19:30, Rammstein 21 Uhr. Wir entschieden uns für 18:30 Uhr, das hat auch gut geklappt.

Vor allem der Einlass war problemlos, das hätte ich nicht gedacht, trotz Personenkontrollen und Ausweis vorzeigen waren wir innerhalb von 20 Minuten drin. Ich hatte mit einer Stunde gerechnet (schlechte Erfahrungen mit den Ärzten in der Waldbühne).

Kurz zur Waldbühne: das ist schon eine beeindruckende Anlage, der Ton ist exzellent, aber man sitzt selbst im unteren Drittel recht weit weg von der Bühne. Innenraum wollten wir nicht, dafür muss man dann die Entfernung in Kauf nehmen. oben ist dann noch weiter weg. Und die Toiletten sind strategisch ungünstig positioniert, das gab Stau und viele in den Wald pinkelnde Männer. Nicht schön.

Pünktlich 19:30 Uhr kam Peaches auf die Bühne, unsere Vorband, eine kanadische Electroclash-Sängerin und Musikproduzentin. Wie heißt es in der englischen Wikipedia so schön: “Ihre Lieder sind bekannt dafür, traditionelle Geschlechternormen zu missachten und sexuell explizite Texte zu enthalten”. Ja, das kann man so unterstreichen. Unterstützt wurde sie von zwei Tänzern, die mal als Vagina verkleidet, mal einfach so auf die Bühne kamen. Es war abgefahren, aber die Musik war gut und die Stimme herausragend. Mir hat es gefallen, wenngleich mir die Show teils zu übertrieben war. Trotzdem beeindruckend und sehr interessant. Offensichtlich kam das bei vielen Fans nicht so gut an – auch nicht schlimm. Leider war Peaches schon nach ungefähr 35 Minuten am Ende, hätte durchaus noch etwas dauern können.

Dann die Zeit vertreiben, bis Rammstein kommt. Große Ablenkung durch den VIP-Bereich, da wir nicht so im Business sind, erkannten wir nur Matthias Schweighöfer, evtl. einen von Boss-Hoss und evtl. auch Sophia Thomalla. Aber wer weiß…

21 Uhr (leichte zwei Minuten Verspätung) erschien dann ein einminütiger Countdown, ab 10 fiel das Publikum ein und das war schon der erste Gänsehautmoment. Beeindruckend, wenn eine bis dahin recht stille Menschenmenge anfängt, zu brüllen.

Dann knappe zwei Stunden Rammstein-Konzert, man kann es schlecht beschreiben, wie gut so ein Konzert ist. Der Ton war überragend (nach etlichen Indoor-Enttäuschungen bei anderen Bands), die Pyrotechnik, die Lieder, die Schrammelgitarren, Flake – was soll man sagen. Ein Rammstein-Konzert ist ein Erlebnis.

Ja – Nein – Rammstein!

Es gab zwei neue Lieder, das erste, “Ramm 4”, na ja. OK für ein Konzert. “Hallelujah” schon besser, leider mit Mikroproblemen. Ansonsten kann man die Setliste auf setlist.fm nachlesen.

Die Auswahl der Lieder war gut, leider haben Rammstein mittlerweile so viele Lieder, dass eigene Favoriten fehlen müssen. Ich hätte gerne “Moskau” gehört, oder “Weidmanns Heil”, gern auch “Benzin”, auf jeden Fall “Bück Dich”. Aber was solls, “Ich tu Dir weh” war dabei, “Seemann” (erstaunlich gut gesungen), “Links 2, 3, 4” und “Engel” zum Abschluss.

Gibt es Kritik: klar. Was soll der Mist mit dem Zugabe-Abholen? Einfach durchspielen, bis das Konzert fertig ist und gut ist es. Und wo war “Pussy”? Neben “Ich tu Dir weh” der beste Text! OK, und “Du riechst so gut”.

Also kein:

Steck Bratwurst in Dein Sauerkraut!

Kurze philosophische Anmerkung: dass wir Deutschen eine Band mit solchen herausragenden Texten haben ist so schön… Endlich ein Gefühl dafür, was mit Sprache möglich ist.