Rassismus und Denis Scheck

 30. Januar 2013 •  Ekkart •  Kultur, Medien, Politik •  ToDo

Diese ganze Debatte um die “Reinigung” von Büchern um rassistische Worte ist ja schon bizarr genug.

Da nimmt ein Kinderbuchverlag(!) aus seinen Kinderbüchern(!) rassistische Worte heraus und jetzt steht der Fall des Abendlandes bevor? Hängt das Glück und die Freiheit alter weißer Männer der Feuilletons wirklich daran, ob in einem Kinderbuch(!) das N-Wort steht?

Und falls ja: wäre das die Vorstufe zur Zensur? Immerhin handelt es sich um eine Aktion des Verlags, der Staat hat nichts (in Zahlen: 0) damit zu tun. Er hat den Verlag nicht direkt oder indirekt dazu gezwungen. Im Gegensatz zu z.B. Filmen und Computerspielen, bei denen ein indirekter Zwang durch den Jugendschutz vorliegt, gibt es so etwas im Buchbereich nicht. Das heißt: nein, in dem Fall ist das keine Zensur.

Und dass sich Menschen im Feuilleton und im Fernsehen lang und breit dazu äußern dürfen, ist ja wohl Beweis genug, dass das auch möglich ist. Es ist nur nicht gebildet, klug, einleuchtend, nachvollziehbar oder was auch immer.

Und ja: ich hoffe, dass Denis Scheck für seine Blackface-Aktion wenigstens einen Rüffel von der ARD bekommt, besser wäre wohl eine längere Auszeit seiner Sendung, sofern er sich nicht vernünftig und sauber damit auseinandersetzt.

Apropos Denis Scheck: er ist in den gleichen Denkfehler gelaufen, wie schon Dieter Hallervorden: “Nur, weil ich kein Rassist bin, kann ich nichts Rassistisches machen.” Schön wär’s. Aber zu so einem Thema in Blackface herumzustehen, schön mit weißen Handschuhen an: dazu fällt mir wenig ein. Dann ist auch der Inhalt seiner Worte egal, die höre ich nicht, wenn schon das Äußere durch und durch rassistisch ist. Dann schalte ich ab oder spule darüber hinweg.

Die Entschuldigung wird wohl (wie bei Hallervorden) zusammengefasst lauten: ich habe das anders gemeint, achtet auf die Worte, haben wir schon immer so gemacht.

Noch mal ganz deutlich: das N-Wort ist rassistisch. Man kann es nicht neutral verwenden. Wenn das früher getan wurde, war es auch schon nicht neutral, jedoch wurde damals leider nicht darauf geachtet. Jetzt sind wir weiter. Die Sprache noch nicht, das N-Wort ist ein Schimpfwort. Also sollten wir es nicht gebrauchen. Eigentlich einfach.

Eine Frage: “Aber wie soll ich dann meinen farbigen Mitarbeiter nennen?” Ja, hat der Kerl denn keinen Namen? Ruft Ihr alle anderen “He, Weißer?” Mann.

Die Frage, ob Bücher von veralteten bzw. rassistischen/beleidigenden Worten “gereinigt” werden sollten ist damit noch nicht beantwortet. Hier ist meine Meinung: in Kinderbüchern: auf jeden Fall. Ein Kind lernt. Wenn es früh lernt, dass ein farbige Menschen Namen haben und nicht aufgrund ihrer Hautfarbe zu bezeichnen sind: um so besser. Gemein, bösartig und beleidigend können sie schon noch früh genug werden, Bücher, also Bildung, sollte dazu nicht beitragen. In Erwachsenenbüchern kommt es darauf an. Karl May kann man vom Bild des primitiven Scharzen nicht befreien, Mark Twain sollte man nicht. Aber das sind halt Bücher für Erwachsene. Ganz andere Baustelle.

Aber es wird laufen, wie es Sula so treffend wie traurig resignierend beschrieben hat:

Ich schlage vor, wir beenden die Debatte. Machen wir weiter wie bisher: Ihr lest euren Kindern rassistische Bücher vor, und wir kaufen die Bücher nicht. Wir schauen eure Filme nicht, zeigen sie nicht unseren Kindern und erkundigen uns, bevor sie mit ihrer Schulklasse ins Theater gehen ganz genau, um was es geht, um uns dann noch immer nicht sicher zu sein, dass sie nicht an diesem Nachmittag traumatisiert nach Hause kommen. Wir drehen uns schweigend um, wenn ihr wieder einmal einen rassistischen Witz reißt und denken uns unseren Teil, wohl wissend, dass wir in eurer nächsten Konfrontation mit jemandem, der/die es noch nicht müde ist, zu versuchen mit euch über Rassismus zu reden, als die eine Schwarze Person herhalten müssen, die Eure rassistischen Äußerungen “gar nicht schlimm findet”, was dann die Legitimität der individuellen Perspektiven aller anderen Schwarzen Menschen auf der Welt auslöscht.

Alle paar Jahrzehnte macht jemand aus eurer Mitte einen winzigen Vorstoß und eliminiert, sagen wir, einen rassistischen Begriff aus einem eurer liebsten Kinderbücher. Nur ein Wort. Die kolonialen Allmachtsfantasien dürfen bleiben und ganz sicher stellen, dass eure Kinder zu genauso guten, weißen Deutschen heranwachsen können, wie ihr es seid. Ein bisschen epistemische Gewalt braucht die deutsche Volksseele halt. Und dann könnt ihr wieder ein paar Wochen so tun, als wäre das Anliegen, als Schwarze Person nicht in den eigenen Kinderbüchern, in Filmen, im Theater, in der Presse, auf dem Schulhof und in Schulbüchern oder im Unterricht mit rassistischen Beleidigungen konfrontiert zu werden jetzt ja “ganz neu”, weil ihr ja immer alles nicht lest, was wir schreiben, aus Prinzip sozusagen. Und deshalb könnt ihr auch dann wieder behaupten, dass das N-Wort vor 30 Jahren ganz harmlos und überhaupt nicht bös gemeint war. Und ganz fest daran glauben, dass ihr das nicht denkt, weil vor 30 Jahren in Deutschland rassistische Gewalt eben so normal war, wie ihr sie heute immer noch findet.

Was an dem Text so schlimm ist? Dass es ein “wir” und ein “ihr” gibt. Und dass sich nicht darum gekümmert wird, sondern um die Wichtigkeit des N-Worts für die deutsche Sprache.

Wer mich dabei bisher am meisten enttäuscht hat, ist Denis Scheck. Dem hätte ich mehr zugetraut.

(Quelle: Mädchenmannschaft)