Spielkritik: Rise of the Tomb Raider (2015)

 6. September 2020 •  Ekkart •  Computerspiel, Kritik, LaraCroft, TombRaider •  ToDo

Da der Reboot durchaus erfolgreich war, kam die fällige Fortsetzung zwei Jahre später auf den Markt: Rise of the Tomb Raider. Leider nur ab PS 4, mangels einer solchen und eines fähigen Spielerechners konnte ich den Teil erst dieses Jahr nachholen.

Technisch wird wieder die Underworld-Engine verwendet – das garantiert schon mal wirklich gute Grafik und gute Steuerung (mit Einschränkungen beim Springen).

Wir begleiten Lara (wieder einmal) in ihrer Weiterentwicklung zur Lara, die wir eigentlich spielen wollen, ok, das ist grad das Ding der Entwickler – muss ich nicht gut finden als Idee. Ist aber, wie beim Reboot, ordentlich umgesetzt.

Lara selbst wurde im Gesicht verändert, sie sieht jetzt irgendwie puppenartiger aus. Wieder so eine Sache, auf die ich schwer den Finger legen kann, aber da musste ich mich eigentlich am längsten dran gewöhnen, irgendwas stimmt da für mich nicht.

Wir steigen ein mit dramatischen Szenen in Sibirien, wo wir uns durch eine Cut-Scene-Hölle spielen müssen. Ja, ich stehe spielbaren Cut-Scenes eher skeptisch gegenüber, insbesondere im Reboot war das viel zu viel und viel zu simpel. Das wird hier besser gelöst. Der Anfang lässt zwar Schlimmes vermuten, das war es aber schon fast, der Rest des Spiels verzichtet größtenteils auf diesen “Kniff” – sehr angenehm.

Dann Rückblende, wir spielen uns nach Sibirien – ach nee, das ist schon in Filmen nicht meins, in Spielen erst recht nicht. Zwei Filme kenne ich, die das gut machen: Pulp Fiction und Memento, Spiele kenn ich gar nicht. Es ist ok, von vorn nach hinten zu spielen. Aber wie auch der Anfang: es wird einmal gemacht, dann wieder gelassen, ok.

Zurück in Sibirien sind wir erst einmal sehr langsam unterwegs, können uns nicht bewegen, Waffen kannste vergessen und ich dachte schon: uiuiui. Was auch immer Entwickler da treibt: nein. Macht das nicht. Realismus hin und her: ich bringe hier problemlos Bären um, erledige alleine mit Pfeil und Bogen eine russische Armee, kann stundenlang mit Kletterhaken kopfüber klettern, aber durch Schnee kann ich nur langsam stapfen?

Aber auch hier wieder: dauert zum Glück nur kurz und dann nimmt das Spiel endlich Fahrt auf. Also am Anfang drei Todsünden raushauen und dann besser werden – lasst das bitte nicht die Standardstrategie werden.

Wobei im Endkampf die letzte begangen wird, aber dazu später.

Jetzt arbeiten wir uns durch die Welt durch und die ist wunderschön. Wirklich. Manchmal einfach stehenbleiben und umsehen. Oder mit Dingen interagieren. Wir sind von freier Bewegung oder Untersuchung der Welt zwar noch weit entfernt aber schon deutlich freier als im Reboot. Es macht Spaß, einfach mal auf Bäume zu klettern und zu gucken.

Storytechnisch suchen wir ein Artefakt, das unsterblich macht, weil Laras Vater das auch gesucht hat. Ja, die Fixierung auf den Vater ist wie im Reboot vorhanden und bringt mir nix. Lara tut in diesem Teil alles nur, um ihrem (toten) Vater nachzueifern und das wird gerade hinten heraus sehr obsessiv und ist nicht gesund. Im Abspann lösen wir uns davon, aber bis dahin ist es ein langer Weg durch diverse Nachrichten, Dokumente und Gedanken. Und ja: beim ersten Spielen guck ich mir das alles an.

Für das Artefakt reisen wir durch Sibirien, dann ein Tal und später ein Kloster, die Orte sind alle sehr gut umgesetzt und oft positiv sehr offen gestaltet. Leider wird unsere Bewegung oft künstlich eingeschränkt, oft sehr fadenscheinig: so können wir bis zur Mitte des Spiels unser Messer zwar zum Ausweiden von Tieren benutzen, nicht aber zum Zerschneiden von Stricken.

Die Welt wird gerade ab dem Tal von Menschen bevölkert, mit denen wir nicht nur durch Pfeil und Bogen interagieren, sondern mit denen wir uns unterhalten und denen wir helfen können. Das ist eine angenehme Abwechslung und hier wurde eine sehr gute Mischung aus Text und Action gefunden.

Ebenfalls ist es sehr schön, dass der Abenteueraspekt etwas mehr hervorgehoben wurde, es ist mehr zu sehen, auszuprobieren, zu erforschen. Insbesondere die Anzahl und Qualität der Tombs ist erhöht worden. Dennoch: das ist noch weit entfernt von dem Tomb Raider, das ich spielen will, bei dem man nur Tombs raided und gut ist. Aber man muss sich halt auch an das aktuelle Spiel anpassen: der Schwerpunkt liegt hier anders und im Rahmen dessen wurde das gut umgesetzt.

Neben dem Tombs gibt es noch Herausforderungen und Missionen, die den linearen Spielablauf unterbrechen. Hat mir sehr gut gefallen, das Konzept.

Was mich stört ist, dass man die einzelnen Areale nicht komplett durchspielen kann, bevor ein neues in Angriff genommen wird, da uns dafür bestimmte Fähigkeiten noch fehlen, die wir erst später erspielen (das Messer zum Beispiel). Wir müssen dann später zurückkommen. Auch, dass wir uns bestimmte Fähigkeiten bzw. Gegenstände kaufen müssen (in Spielwährung) ist nicht so meins, das holt mich stark aus dem Spiel heraus. Auch das Aufleveln von Waffen und Fähigkeiten am Camps. Ist ok, halt nicht so meins.

Nach 47 Stunden stehen wir dann dem Endgegner gegenüber und zum einen ähnelt der Kampf sehr stark dem Endkampf des Reboots. Zum anderen: ich levele alle meine Waffen auf, bin top ausgerüstet aber zum Endkampf wird mir das alles weggenommen? Ernsthaft? Außerdem musste ich eine Fähigkeit nutzen, die ich bisher nicht eingesetzt hatte: Bomben basteln und auf Gegner werfen. Krieg ich hin, aber macht nicht wirklich Spaß. Aber das ist nur eine kurze Sequenz und durch sind wir: Welt gerettet, von Vater emanzipiert (hoffentlich), Happy End.

Der Schwierigkeitsgrad des Spiels ist angenehm spielbar (ich spiele auf “normal”), ich bin größtenteils ohne Hilfe durchgekommen. Dreimal musste ich das Netz bemühen, zweimal wegen Nichtigkeiten, einmal, weil ich partout ein Artefakt nicht gefunden habe. Ich hab alle Missionen, Herausforderungen und Tombs gelöst, alle Dokumente und Artefakte gefunden, bis auf ein Dokument, das in der Zusatzmission “Baba Jaga” an einer Stelle liegt, für die ich eine Sequenz auf die Zehntelsekunde timen muss und für jeden neuen Versuch ca. eine Minute Vorbereitungszeit brauche (oder ich sterbe, dann zwei Minuten). Nach einer Stunde probieren bin ich jetzt soweit, dass ich auf das Dokument verzichte. Vielleicht versuche ich es später noch einmal.

Insgesamt ist das Spiel sehr gut gelungen, viele Kritikpunkte des Reboots wurden angenommen und verbessert, die Spielbarkeit erhöht (Springen ist noch zu ungenau, sonst alles gut) und die Balance zwischen Abenteuer und töten deutlich verbessert. Was nicht heißt, dass Schwarzenegger nicht neidisch wäre, mit welcher Wucht und Gradlinigkeit ich hier Massen von Gegnern töte. Möglichst mit dem Bogen, das ist eleganter. Aber ich kann auch mit Explosionen, Gift oder Feuer arbeiten.

Apropos Waffen: mit dem Bogen kommt man gut durch, bei manchen Massenszenen ist das Maschinengewehr besser geeignet. Erstaunlicherweise habe ich auch virtuell ein Problem damit, Bomben auf Menschen zu werfen oder Sprengfallen aus Menschen zu bauen (ernsthaft, das geht deutlich zu weit), aber ich hab einen Heidenspaß dran, Zusatzpunkte zu bekommen, wenn ich Kopfschüsse am Stück verteile (acht in Folge mein Rekord). Schon seltsam.

Wie schon gesagt, die Welt ist wunderschön, es lohnt sich tatsächlich, sie sich anzusehen. Nicht nur die Berge und Landschaft, auch die Tiere, Häuser etc.

Und es sind schöne Spielideen dabei: Hühnerwerfen zum Beispiel. Das ist angenehm albern, insbesondere im Kontext der Bedrohung.

Und in der Baba-Jaga-Mission schafft es das Spiel, eine richtig gruslige Atmosphäre zu erschaffen – das ist schon was.

Was auch angenehm ist, dass die Hilfe halbwegs vernünftig auf das eigene Spielen eingestellt werden kann. Leider muss man für alle Geheimnisse zu oft “den Blick” anwenden und hier wird Lara schwatzhaft, was unsere derzeitige Aufgabe angeht. Hier wäre mehr Einstellbarkeit besser.

So viel dazu, das Spiel hat Spaß gemacht, selten gelangweilt und wartet mit schönen Szenen und Herausforderungen auf.

Ein wirklicher Faux-Pas war die exklusive Veröffentlichung auf Xbox 360 und Xbox One zum Start – das war wirklich ein Mittelfinger gegenüber den PS-Spieler:innen, die das Spiel großgemacht haben. Außer Geldgier gibt es da auch keine Entschuldigung.

Fazit: sehr, sehr gutes Spiel mit der neuen Lara Croft.