ZDF – Risiko – Atomkraft – Contergan

 22. März 2011 •  Ekkart •  Atomkraft, Journalisten •  ToDo

Manchmal ist es schon erstaunlich: wer sich für alternative Energien einsetzt und keine Atomkraft mehr will, der ist fortschrittsfeindlich. So sagt es Dr. Wolfgang Herles, seines Zeichens Redaktionsleiter “Aspekte” beim ZDF. Und warum? Weil man dann aus Katastrophen nichts mehr lernen kann:

Jeder technologische Fortschritt in der Geschichte der Menschheit wurde begleitet von Katastrophen. Aus allen haben die Menschen gelernt – aus dem Untergang der Titanic, aus Contergan, aus Tschernobyl. Vermeidbar waren alle Katastrophen und dennoch am Ende nützlich.

Schön für die Contergan-Opfer: keine Arme, aber das war nützlich. Verstrahltes Tschernobyl: sehr hilfreich. Und gerade die Titanic – was wäre die Welt ohne die tausende Leute, die da gestorben sind. Ein langweiliger Film wäre nicht gedreht worden.

Was mich interessiert: was hat Dr. Herles aus Tschernobyl gelernt, wenn er so vehement für die Kernkraft eintritt (mit falschen Argumenten btw.)? Wahrscheinlich, dass es günstiger ist, wenn Kernkraftwerke woanders hochgehen. Aber das wäre ja ein Grund für die Abschaltung hierzulande.

Wer noch einen berauschenden Text lesen möchte von einer Französin, die sagt, dass wir nur Angst haben und sie das nicht verstehen kann, denn die Franzosen haben keine Angst und damit sind die Kernkraftwerke sicher: bitte zum Spiegel durchtreten. Brüller des Artikels:

Nun diskutieren die Deutschen seit langem die Risiken der Atomkraft, vielleicht auch zu Recht. So hitzig die Diskussion aber auch war, bislang zählte dabei meist das Argument – doch zur Zeit regiert die Panik. Als Französin kann ich das nur reichlich übertrieben finden.

Vielleicht kennt die Autorin ja ein paar stichhaltige Argumente der Befürworter, die bisher galten. Auch interessant, wie damit die Laufzeitverlängerungen in Einklang gebracht werden können. Aber egal: Hauptsache behauptet.

(Quellen: ZDF, Spiegel, via stilstand, bildblog)

Eine der vielen sehr lesenswerten Antworten beim ZDF-Blog möchte ich beispielhaft zitieren (sie ist von Bernd Brockhoff):

Vielleicht hat sich unser Herrgott ein paar Naturkräfte vorbehalten, von denen wir Menschen besser die Finger lassen sollten. Kernspaltung gehört auf alle Fälle dazu. Und weil wir die Finger denn doch nicht davon lassen, gibt uns der Große Steuermann von Zeit zu Zeit eine auf den Deckel, in dem Fall sogar gewaltig. Das ist dann das berühmte “Restrisiko”. Die Frage ist allerdings, wer das Risiko trägt und wie hoch dieses ist.

Als die Titanic unterging waren die Opfer dieses Risikos diejenigen, die als Passagiere sich zumindest bewußt sein konnten, daß der Pott auch untergehen kann (obwohl es hieß, sie sei unsinkbar). Waren deswegen aber auch die Menschen auf Neufundland in Gefahr, in dessen Nähe die Titanic sank? Nein! Und die Hindenburg? War ganz New York in Gefahr, als das Luftschiff in Lakehurst explodierte? Nein! Was ist mit Eschede? War der Großraum Hannover gefährdet, als der ICE entgleiste? Wiederum nein! Die Liste läßt sich vielfach forsetzen.

Technik ist immer mit einem Restrisiko behaftet, aber man muß schon die Unterscheidung zwischen einem überschaubaren und einem superkatastrophalen treffen, das völlig Unbeteiligte mit sich reißt. Während die Katastrophen der Titanic oder Hindenburg heute nur noch die Historiker plagen, werden Tschernobyl und Fukushima auch noch den Zukunftsforschern Kopfzerbrechen bereiten. Hier kann man den Begriff “Moral” ansetzen und fragen, ob es “moralisch” ist ganze Generationen nach uns mit den dann immer noch akuten Gefahren längst vergangener Katastrophen zu konfrontieren. Die werden ihre Vorfahren als Atommessis verfluchen, uns als Energievandalen in den Geschichtsbüchern mit Verachtung anführen.

Wem das alles wurscht ist, wer alles beiseite wischt und mit dem Hinweis auf eine Zukunftstechnologie, die das schon alles irgendwie bereinigen wird, unverhohlen weitermacht, ist zynisch, dumm und feige und zudem zu faul und bequem sich mit der Herausforderung einer echten Energiealternative ins Zeug zu legen.