10. Oktober 2020 • Ekkart • HarryPotter, Kritik • ToDo
Sieben Bände, acht Filme und ein Riesenhype bis zum Schluss – das muss man erst einmal schaffen. Da ist J.K. Rowling ein großer Wurf gelungen und trotzdem mir die Reihe am Ende nichts mehr gab, ist anzuerkennen, dass Rowling nicht siebenmal dasselbe Buch geschrieben hat, sondern eine Vision der Geschichte umgesetzt hat, die das Universum stetig erweiterte und immer neue Aspekte gefunden hat.
Die ersten Bücher zeichnen sich durch eine unbändige Fantasie aus, die mit einer wunderbaren Leichtigkeit erzählt werden. Da wird mit einer bewundernswerten Selbstverständlichkeit ein komplett neues, schlüssiges Universum geschaffen, dessen Geschichten bestimmt nicht auserzählt sind.
Die Hintergrundgeschichte um Harry und Voldemort ist groß genug angelegt, um sieben Bände durchzuhalten. Hogwarts entsteht beim Lesen vor unseren Augen und alle Figuren sind gut genug erzählt, um sie kennenzulernen und mit ihnen mitzufiebern.
Die ersten vier Bände kann ich immer wieder lesen, insbesondere Band vier ist ein erzählerischer Höhepunkt, was Spannung, Geschichte, Verwicklungen und durchgehaltene innere Logik angeht.
Und die Ideen: Zeitumkehrer, Eulen, Pensieve, Muggles, Quidditch, …
Leider interessiert Rowling ab Band fünf die dunkle Seite ihrer Geschichte und die Erweiterungen, die sie dort vornimmt, insbesondere, was Dumbledore, Snape und Harrys Eltern angeht, sind echt nicht mein Ding. Sie verkompliziert die Geschichte und kann die Einzelteile nicht mehr schlüssig zusammenhalten. Gleichzeitig verengt sie so den Erzählrahmen, die Größe des geschaffenen Universums nimmt unnötigerweise ab. Was ist mit den Riesen, Drachen, anderen Schulen? Dazu kommt, dass Harry, Ron und Hermione dauernd gegeneinander arbeiten müssen, was in den ersten Bänden noch charmant ist, nervt in den letzten Bänden nur noch, insbesondere im Angesicht der Bedrohung durch Voldemort.
Apropos Figuren, hab ich oben noch gelobt, sind bestimmte Muster aber auch nervig. So gelingen Rowling keine guten Frauenfiguren. Insbesondere Hermione, die einzig kompetente Kinderfigur, wirdd dauernd als Streberin dargestellt, was negativ geschildert wird. Während die Jungen tun können, was sie wollen, und Hermione ihnen den Rücken freihält, wird sie von beiden genauso zuverlässig ignoriert. Für die Handlung ist sie oft nur als Auslöserin von Aktionen da, nicht als aktive Rolle. Das ist schade.
Dann werden zwar bis Band 4 neue Figuren eingeführt, diese jedoch wieder zurückgefahren und hauptsächlich in Klischees belassen. Ginny z.B. ist so gut, aber siehe Hermione. Einzig die Zwillinge sind noch interessant.
Apropos Klischee: die größte Enttäuschung ist tatsächlich das stockkonservative Happy-End. Wie kann jemand mit solch einer Fantasie so ein Nummer-Sicher-Ende wählen?
Leider hat das dazu geführt, dass ich andere Bücher aus dem Universum nicht lesen werde, denn ich vermute, J.K. Rowling hat ihren erzählerischen Höhepunkt hinter sich und ich will mich da vor weiteren Enttäuschungen schützen.
Ich hab auch Probleme mit der Darstellung von Hogwarts als Schule mit vier Häusern, die gegeneinander ausgespielt werden, wo Bullying geduldet wird und wo die Begünstigung von Harry Potter und die Demütigung anderer Schüler:innen, insbesondere von Slytherin, durch den Schulleiter anormale Züge annimmt. Das liest sich zwar nett hin und im Buch fiebere ich mit, aber tiefer drüber nachdenken sollte man nicht,
Die Filme setzen die Bücher adäquat um. Es gibt stärkere und schlechtere Umsetzungen, insgesamt ist das aber in Ordnung, denn die Medien unterscheiden sich in Länge und damit in der zu zeigenden Komplexität grundlegend.
Es wäre interessant, eine Harry-Potter-Fernsehserie zu sehen: eine Staffel – ein Buch. Aber das werde ich wohl leider nicht erleben. Evtl. auch animiert, um das Problem mit alternden Darsteller:innen zu umgehen.
Insgesamt hat mich die Serie gut unterhalten, die letzten Bücher waren zwar nichts für mich, aber dennoch sind die Bücher eine Riesenbereicherung des Fantasygenres und insbesondere Band 4 lese ich immer wieder gern.