Noch ein, zwei Gedanken zu Helmen und dem blöden Urteil.
Zunächst einmal ist es so, dass man sich schützen sollte, damit man im Unfallfall so wenig wie möglich verletzt wird. Falls man das nicht tut, ist man für seine Verletzungen mitverantwortlich, ein Beispiel ist der Fall des Motorradfahrers, der mit Jeans fährt. Beim Unfall wird er schwerer verletzt als mit Schutzkleidung. Frage für Gerichte: trägt er jetzt eine Mitschuld an seinen Verletzungen, obwohl Schutzkleidung nicht vorgeschrieben ist?
Ein Gericht muss jetzt beurteilen, inwieweit das Risiko, sich zu verletzen zu hoch war, denn unstrittig ist (auch in der Rechtssprechung), dass man sich halt nicht vor jeder Eventualität schützen kann. Also bleiben auf jeden Fall Lücken. Die Abwägung muss nun sein: wie wahrscheinlich war der Unfall und wie kompliziert war es, sich dagegen zu schützen.
Und hier versagt m.E. das Gericht im Urteil, indem es postuliert, dass:
Alle drei Annahmen sind aber nicht belegt. Im Gegenteil, Statistiken belegen regelmäßig das Gegenteil. Aber das blendet man aus. Z.B. wird immer von der schützenden Karosserie des Autos geschrieben, verkennend, dass Autofahren wirklich gefährlich ist, da hier Unfälle durch die Schnelligkeit größere Auswirkungen haben. Übrigens: auch für Autofahrer wäre ein Helm wirklich hilfreich.
Interessante Ausführungen macht dazu Orthopäde Dr. Adolf Müller, Chefarzt der Klinik für Neurochirugie am Krankenhaus Barmherzige Brüder. Einfach den Artikel durchlesen, ist nicht so lang und sachlich.
Nach einer Studie der Neurochirurgischen Universitätsklinik Münster entstanden 11 Prozent der Schädelhirnverletzungen beim Auto- oder Motorradfahren, 36 Prozent während Freizeitaktivitäten, 28 Prozent im Haushalt, 15 Prozent bei der Arbeit und lediglich 10 Prozent bei Fahrradunfällen.
Und man bedenke: in Münster fahren überdurchschnittlich viele Radfahrer_innen.
Die Frage, was der Fahrradhelm bei Unfällen objektiv bringt, ist schwer zu beantworten. Das britische Verkehrsministerium kam nach Auswertung von 16 nicht randomisierten Studien zu dem Schluss, dass die Helmbenutzung eine sinnvolle Maßnahme zur Verringerung von Kopfverletzungen sei. Die Auswertung der Münsteraner Studie dagegen zeigt, dass im Verletzungsgrad keine Unterschiede zwischen Helmträgern und unbehelmten Radfahrern nachzuweisen ist: Verletzte erleiden bei Fahrradstürzen meist mittelschwere Schädelhirntraumen, unabhängig davon, ob sie einen Helm getragen haben oder nicht.
Analysiert man die Unfallhergänge mit Helm und die Verletzungsmuster in der Computertomografie, so lässt sich feststellen, dass zwar Frakturen und offene Schädelverletzungen mit Helm seltener sind, dass aber schwerste Gehirnerschütterungen und Einblutungen ins Gehirn mit und ohne Helm gleich verteilt sind. Bei solchen Schädelhirnverletzungen kann es durch eine Schwellung zu weiteren Schäden kommen. Da das schwellende Gehirn in der festen knöchernen Schädelkapsel nicht ausweichen kann, kann die sekundäre Hirnschwellung für den Verunfallten lebensbedrohlich sein.
Fazit: wer einen Helm tragen möchte, soll dies tun, er/sie sollte aber wissen, dass der Helm nur in extremen Ausnahmefällen schützt und man den Helm konsequenterweise aber lieber im Haushalt, in der Freizeit, als Fußgänger oder bei der Arbeit trägt, erst danach kommt Radfahren.
Und wer eine Helmpflicht fordert, sollte daran denken, dass dadurch der Radverkehr ungefähr um die Hälfte abnehmen wird, wer das gut findet, sollte daran denken, dass die Leute dann mit dem Auto unterwegs sind und die Straßen deutlich mehr verstopfen.