Volltrottel in Verkehr und Literatur

 24. Januar 2012 •  Ekkart •  Bücher, Kultur, Recht •  ToDo

OK, der Verkehr heute war eigentlich ganz ok, früh sogar ein Kastenwagen, der die gesamte Leipziger Straße hinter mir blieb, ohne zu drängeln. Sehr schön.

Dafür auf der Rückfahrt eine Rechtsabbiegerin, die einfach nicht halten wollte. Mich ließ sie noch zähneknirschend vorbei (ohne stehenzubleiben), die Radfahrerin hinter mir musste dann vollbremsen.

John Asht – der “Autor”

Apropos Volltrottel: der mir bis dato unbekannte Autor John Asht macht sich gerade selbst zu einem solchen. Eine an sich lustige Geschichte, die man nicht glauben mag:

Ausgangslage: Myriel schreibt in ihrem Blog Bücherzeit eine Rezension von Twin-Pryx Zwillingsbrut von eben jenem John Asht. Offensichtlich war das Buch nicht ihres, denn nach 90 Seiten bricht sie ab und beschreibt nachvollziehbar, dass das Buch von ihr keine Empfehlung bekommt.

Tja, so läuft das halt manchmal, da gefällt das Buch halt nicht.

Nicht mit John Asht (was auch immer das für ein Pseudonym sein mag, ich will es gar nicht wissen). Denn der weiß, was Sache ist und kommentiert, sagen wir, etwas ungehalten, dass sich Myriel erdreistet a) das Buch nicht zu mögen und b) das auch noch zu sagen. Und das, obwohl sie gar nicht das ganze Buch gelesen hat! Also will er sie verklagen!

Oder in seinen Worten:

Na ja, von einer 23-jährigen Fantasy-Leserin, die mit gehobener Literatur überhaupt nichts anfangen kann, erwarte ich auch nicht mehr als eine solch’ unqualifizierte Pseudo-Rezi. Mädel, schreib’s dir hinter die Ohren: Phantastische Literatur ist nicht „Fantasy“. Also, tu uns allen einen Gefallen und bleib bei deinen Zwergen und Elfen – für mehr reichts nicht!

OK, reicht noch nicht:

… außerdem werde ich „Myriel“ und „Bücherzeit“ von meinem Rechtsanwalt gerichtlich ahnden lassen – denn mir sieht diese Einrichtung sehr suspekt aus – etwa so, wie von gewissen Leuten bezahlt, um einem Autor zu vernichten. Das wird teuer, Lady!

Der Roder-Verlag

Har, har. OK, jetzt würde man denken: hoffentlich liest der Verlag mit und schlichtet etwas. Der Verlag liest mit. Auftritt Antje Roder, Geschäftsführerin des Roder-Verlags.

Nur Auszüge, denn ihre Kommentare sind etwas länger:

Grundregel Nummer 1 für eine Rezension ist, dass man das Buch überhaupt gelesen hat!!!

Drei(!) Ausrufezeichen. Myriel hat sich nämlich nicht an die Rezensionsregeln gehalten.

[…] Daneben gibt es aber noch solche Autoren, die sich Zeit nehmen für ihr Werk, die Handlungsstränge ausarbeiten und eine Geschichte entwickeln. Daraus entstehen Bücher, die nicht zur Massenware zählen und die den Leser zum Mitdenken anregen wollen – keine vorgekaute Kost. […] Wer damit nicht mehr umgehen kann, sollte sich künftig besser nur noch mit anspruchsloser Kost berieseln lassen. Das ist auch den Machthabern lieber, denn diese Art von Fast-Food-Leser lassen sich optimal lenken und kontrollieren – eben weil sie allmählich das rationale Denken verlernen.

Myriel ist einfach zu doof für das Buch (zu dem komme ich noch). Aber jetzt kommt’s dicke:

Artikel 5 des Grundgesetzes gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, Wirtschaftskriminalität zu betreiben, indem Sie willkülich den Verkauf eines Produktes boykottieren. Sie sind keine studierte Literaturkritikerin – das sieht man allein schon daran, dass Sie den fantastischen Abenteuerroman „Twin-Pryx, Zwillingsbrut“ fälschlicherweise in die Kategorie „Fantasy“ abgeheftet haben. Fantastische Abenteuerromane sind z. B. das Genre des Jules Verne. Fantasy hingegen ist das Genre der modernen Märchengeschichten, wo Fabelwesen um den Menschen agieren. […] Außerdem werde ich den Börsenverein des Deutschen Buchhandels informieren, dass Sie auf launische Weise Literaturkritiken veröffentlichen, ohne überhaupt das Werk gelesen zu haben – abgesehen davon, dass Sie es wie oben beschrieben falsch kategorisiert haben. Überlegen Sie sich, was für Konsequenzen das alles für Sie haben wird. Das Recht ist auf unserer Seite!

Uiuiui. Falsche Kategorie genommen und nicht Literaturkritik studiert. Und auf launische Weise Kritiken veröffentlicht. Ein Fall für die spanische Inquisition.

Zum Glück nimmt Myriel das Ganze sportlich und wartet ab, ob endlich gerichtliche Schritte erfolgen. (Herr Staatsanwalt, die hat mein Buch nicht gut gefunden, obwohl sie es nicht zu Ende gelesen hat!!!)

Noch nicht peinlich genug?

OK, dann auf ins Blog von John Asht. Dort beschreibt er nämlich den Vorfall auf seine Art unter dem Titel (und das habe ich mir nicht ausgedacht) “Literatur-Kriminalität im Internet”. Er beginnt mit:

Vor der Internetexplosion gab es noch gestandene Literaturkritiker[…]

Jetzt schwadroniert er sich eine Verschwörungstheorie um eine abgelehnte Autorin zusammen. Muss man lesen. Weiter:

Lady Oberschlau publiziert also ihre unqualifizierte Kritik in ihrem Blog und gibt sogar noch offiziell zu, dass sie das Buch überhaupt nicht gelesen hat.

Die Schlange. Erzählt also offen die Wahrheit. Schlimm.

Der Verlag verwarnt die unseriöse Rezensentin und belehrt sie vorbeugend, dass sie nicht einmal die Literaturgattung des Buches richtig erkannt habe und somit eine Rezension nach den Kriterien eines ganz anderen Genres erstellt hat. Vor allem aber wird sie darauf aufmerksam gemacht, dass sie ein Buch von der ersten bis zur letzten Seite zu lesen habe (sorgfältig), bevor sie überhaupt eine Kritik zu veröffentlichen gedenkt.

Ja, wieder diese Rezensionsregeln, die so gelten. Aus dem Rezensionsgesetzbuch (ok, der war schlecht).

Demonstrativ schickt die pseudo-erpresserische Rezensentin ihre Postanschrift zu – womöglich in der Hoffnung, dass da nun bald ein schönes Paket mit Geschenken und vielleicht auch einem Geldumschlag eintrudelt. Stattdessen aber bekommt sie eine Anzeige wegen Verstoßes gegen § 15 UWG “Geschäftlicher Verleumdung”.

Klar, die wollte Geschenke haben. Mal sehen, was Myriel dazu schrieb:

Hallo Frau Roder, da Sie so plakativ darauf hinweisen, dass das Recht auf Ihrer Seite ist, dürfen Sie mich gern davon überzeugen. Meine postalische Anschrift habe ich Ihnen soeben per E-Mail übermittelt, so dass Sie Ihre Ankündigungen umsetzen können.

Tja, sie wartet einfach auf die Anzeige (die bisher noch nicht gekommen ist).

Aber nochmal die Regeln von John Asht:

Sobald eine Rezension veröffentlicht ist, untersteht sie nur dann dem Schutze der freien Meinungsäußerung, insofern sie zutreffend fundiert und objektiv analysiert ist – vor allem aber muss der Rezensent das gesamte Werk von der ersten bis zur letzten Seite gelesen haben. Für nur angelesene Bücher kann man höchstens ein referierendes Statement abgeben – allerdings niemals in einem Rezensionsblog.

Jenau. Und zum Schluss die Tränendrüse:

Was diese rücksichtslosen Wichtigtuer(innen) nicht wissen, ist, dass so mancher Kleinverleger sein ganzes Hab und Gut als Sicherheit bei der Bank hypothekiert hat, nur um einige ausgewählte Manuskripte zu Büchern zu machen, in der Hoffnung, dass ein Broterwerb daraus enstehe, für ihn und seine Autoren.

Tja, sollte der Verlag sich seine Autoren wohl genauer aussuchen. Oder gute Literatur veröffentlichen. Oder sich nicht öffentlich im Netz zum Vollhonk machen. Nur so eine Idee.

Immer noch nicht peinlich genug?

OK, John Asht hat seinen Ursprungsartikel editiert, vorher hat er (laut diesem Screenshot) noch das Wunderargument gezogen, dass die Rezensentin es einfach mal besorgt kriegen muss:

Vielleicht sollte ihnen die Krankenkasse eine Therapie bezahlen: eine Kur in lieblichen Gefilden, wo es reale Jungs gibt, die ihnen besorgend beibringen, worum es im Leben überhaupt geht.

OK, er hat halt ein einfaches Frauenbild, schaut mal auf seinem Blog den Artikel Frauenquote an, in dem er über die böse “Emantipation” herzieht, da gibt es Perlen zur Frauenquote:

Und von wem kommen solche abstrusen Vorschläge? Von Frauen der Regierungsbank, die noch nie einem ehrlichen Beruf nachgegangen sind […] Aber gerade weil sie Berufspolitikerinnen sind, sollten sie wissen, dass es diese bornierte Experiment schon einmal gegeben hat: im früheren Ostblock. Da wurden urplötzlich Menschinnen gefördert, die kaum noch was Weibliches an sich hatten – Mannsweiber, die überhaupt keine Kinder haben wollten und von grundauf alles hassten was männlich war – und dementsprechend auch alles hinterfragten und widersprachen was von einem Manne im Unternehmen kam. Fazit: Alles ging den Bach runter!

Was ist die Lösung für das Menschinnenproblem?

Natürliche Rollenverteilung braucht die Nation, um als solche weiterbestehen zu können. […] Nun frage ich mich aber, wie viele Frauen haben was genau erfunden und entdeckt bis heute? Da gibts leider nur sehr wenige – und selbts diese Frauen forschten an der Seite ihres Mannes und setzten nach deren Tod deren Errungenschaften fort. Es ist nun mal gegen die Natur einer biologisch richtigen tickenden Frau, plötzlich hochtechnisierte Maschinen, Formeln oder Raketen zu erfinden.

Ein schlichter Geist, dieser John Asht.

Was, noch mehr Peinlichkeit?

Na ja, vielleicht ist er ja ein guter Schriftsteller, wenn er schon sonst eher nicht viel kann. Lesen wir Auszüge aus dem rezensierten Werk TWIN-PRYX, Zwillingsbrut. Oh nein, ich werde jetzt nicht alles hierher kopieren, aber zwei Kostproben sollen sein, einfach selbst lesen. Aber seid gewarnt: schlechte Literatur ahead!

Eine Schweißperle wollte herunter zum Augenwinkel kullern – sie wischte sie weg und wünschte sich, den Albtraum genauso einfach aus ihrem Gedächtnis löschen zu können. Hinterhältige Halunken, überraschend waren sie aus den Büschen gesprungen, hatten sie vom Pferd gezerrt und wortlos in eine dunkle Höhle verschleppt.

“Hinterhältige Halunken”?

Sie beschloss, sich noch vor dem Erwachen der anderen Burgbewohner etwas abzukühlen, denn ihr Körper vibrierte nach wie vor von diesem furchtbaren Traum. Nackt schritt sie zur offenen Tür, streichelte zuerst ihre beiden treuen Wolfshunde, die Nacht für Nacht ihren Schlaf bewachten, dann äugte sie sicherheitshalber nach allen Seiten und ging schließlich gemächlich zum Brunnen. […] Zurück in ihren Räumen trocknete sie völlig erfrischt ihren wohlgeformten, sportlichen Körper ab, warf noch einen fast scheuen Blick in den Spiegel und schlüpfte in eine ihrer geliebten Reitermonturen – es war eine dieser Einzelkreationen, wie sie nur die Mutter, bedingt durch ihre indianische Abstammung, hatte anfertigen können.

Nicht sagen, dass ich nicht gewarnt hätte.

Es mag Leute geben, denen sowas gefällt. Aber dass Myriel sich durch 90 Seiten dieser gequirlten Kacke gelesen hat, ringt mir Hochachtung ab. Ich habe es nicht mal durch die Leseprobe auf der Webseite geschafft.

Lest die Kommentare bei Myriel und Astrodicticum durch, da ist viel gesagt. Dort sind auch weitere lesenswerte Seiten verlinkt.

Und lest mal wieder ein gutes Buch.

PS: eigentlich warte ich noch darauf, dass ich auf einen ganz raffinierten Hoax reingefallen bin.

Quellen:

  • gefunden bei Astrodicticum Simplex
  • der Artikel von Myriel (mit schönen Kommentaren)
  • John Ashts Blog (Vorsicht)
  • der uneditierte Originaltext (Auszug)
  • die Leseprobe